Dienstag, 22. September 2009

UREI / Universal Audio 1176LN Kompressor für 200€
Der Beweis! Do-It-Yourself Test & Bericht Teil 1/3

Wie man es auch als elektrotechnischer Laie schaffen kann ein Hi-End Studiogerät wie den UREI 1176LN zu bauen. Ich habe mich nun doch entschlossen, meine Anfang des Jahres vom SAE Institute Berlin mit der Jahrgangs-Bestnote 1,3 (97%) ausgezeichneten Diplomarbeit

"Der Vergleich nicht-professioneller Nachbauten klassischer Studiokompressoren mit ihrem Original am Beispiel des UREI 1176LN zur Überprüfung der Klangtreue"

kostenlos und im vollen Umfang, also inkl. aller Bilder, Klangbeispiele, Schaltkreise, Statistiken und Quellen (im Anhang) hier auf diesem Blog in drei Teilen zu veröffentlichen.



Teil 1 - Grundlagen und Hintergründe zu den Geräten

1. Einleitung

Unzählige Toningenieure, Musiker, Produzenten und an Tontechnik interessierte Menschen haben sich sicherlich schon einmal die Frage gestellt, warum all die in namhaften Studios stehenden Geräte solche Vermögen kosten. Geht das nicht auch günstiger? Sind sie es überhaupt Wert? Kann man das nicht auch selber machen? Klingt das dann genau so wie das Original? Wie viel kostet so was und was muss man alles beachten um akzeptable Ergebnisse zu erzielen?

In dieser Diplomarbeit gilt es zu beweisen, dass es auch für elektrotechnische Laien möglich ist mit denkbar wenig finanziellen Mitteln akzeptable und vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, wenn es um Nachbauten bekannter Studiogeräte geht.

Als Grundlage für diese Untersuchung wurde der Kompressor 1176LN der Firma UREI gewählt. Auf Grund seiner seit mehr als 40 Jahren unverändert großen Beliebtheit, seines einzigartigen Klangs und seines dementsprechend beeindruckenden Preises eignet er sich hervorragend als Beispiel für viele andere Projekte, wie Entzerrer, Mikrofonvorverstärker oder andere klassische Analoggeräte.

Für diesen Kompressor benötigt man prinzipiell nicht mehr als 88 Widerstände, 42 Kondensatoren, 14 Transistoren, 10 Dioden, einige weitere Bauteile wie Operationsverstärker, Transformatoren, Kabel und ein wenig Lötkunst. Mit etwas Zeit und Einarbeitung kann man sich fast alle analogen Studiogeräte selber zuhause zusammenbasteln, so die Idee die es zu überprüfen gilt.

Dennoch stellt diese Diplomarbeit keine Bauanleitung oder exakte Beschreibung von Bestückung und Verkabelung des genannten Kompressors dar, obschon dies einige Teilpunkte der Gliederung einnimmt. (Anm.: Weiterführende Informationen wie zum Beispiel Bauanleitungen werden in meinen Quellenangaben im Teil 3 aufgeführt)

Mehr jedoch geht es darum, zu schauen oder besser noch zu hören, ob ein Nachbau auch den hohen Ansprüchen genügen kann die man an das Original stellt. Deshalb wurden mit beiden Geräten bearbeitete Signale zu Umfragezwecken veröffentlicht, denn letztendlich ist das Gehör das wohl empfindlichste Messinstrument des Menschen. In diesem Hörvergleich geht im weitesten Sinne um relevante Dinge wie Klangfärbung, Dynamikbegrenzung und Regelverhalten, aber auch subjektive Wahrnehmung.

Für diese Diplomarbeit wurde vom Autor mit Hilfe von im Internet veröffentlichten Schaltplänen und handelsüblichen Bauteilen eine Kopie des UREI 1176LN gebaut, um die Machbarkeit und den Aufwand eines solchen Projekts zu überprüfen. Dabei wurde sich ein maximales Budget von 200€ gesetzt. Dieser so genannte Klon diente im Weiteren als Test- und Vergleichsobjekt zu einem von der Firma Universal Audio hergestellten 1176LN.

Die Firma Universal Audio hat sich nach Auflösung des Unternehmens UREI die Aufgabe gestellt ihr Erbe unter der Führung der Söhne des UREI-Gründers Bill Putnam anzutreten.

2. Die Kompressoren

2.1 Der UREI 1176LN

Er gehört mit Sicherheit zu den häufigsten Geräten in analogen Tonstudios rund um den Globus. Im weiteren Verlauf dieser Diplomarbeit wird versucht zu erläutern und zu erklären warum das der Fall ist, welche Technik dahinter steht, was sie auszeichnet und wie sie funktioniert.

Ein geöffneter UREI 1176LN Revision H (SN: 7652 + ... )
Abb. 01: Ein geöffneter UREI 1176LN Revision H (SN: 7652 + ... )

2.1.1 Historischer Hintergrund

Es war Bill Putnam selbst, der Gründer von Universal Audio später UREI, der sich 1966 verantwortlich zeigte für das ursprüngliche Design des 1176.
"Bill Putnam, responsible for the original 1176 design, started of with a company called Universal Audio, which later became United Recording Electronics Industries or simply UREI. Bill’s original name was relaunched in 1999 by his sons, with the intention to reproduce classic analogue recording equipment designed by their father and his colleagues and research and design new recording tools in the spirit of vintage analogue technology."
Der Schaltkreis beruht auf dem, ebenfalls von Putnam kreierten 1108 Vorverstärker. Laut den Aufzeichnungen in den Schaltplänen und in seinem Design-Notizbuch, experimentierte er mit den damals erst kürzlich entwickelten Feldeffekt-Transistoren (FETs) in verschiedenen Konstellationen um die Pegelreduktion des Kompressors zu regulieren. Er begann die FETs als spannungsabhängige Widerstände zu nutzen, bei denen der Widerstand zwischen Drain und Source-Anschluss des Transistors von einer am Gate angeschlossenen Spannung kontrolliert wird.

Ein Feld-Effekt Transistor als spannungsabhängiger Widerstand
Abb. 02: Ein Feld-Effekt Transistor als spannungsabhängiger Widerstand

Seine größte Herausforderung war es sicherzustellen, dass die Verzerrungen der FETs minimiert werden und sie innerhalb eines linearen Arbeitsbereichs arbeiten.

Nach einigen erfolglosen Versuchen die FETs im Gain Reduction Schaltkreis unterzubringen, entschied sich Putnam dafür sie direkt vor den Eingangsverstärker in einem Spannungsteiler einzubauen.

Den Ausgang des 1176 übernimmt ein sorgfältig hergestellter Class A Line-Pegel Verstärker, entwickelt um mit dem späteren Standart von 600 Ohm zu arbeiten. Das Herz dieses Schaltungsabschnitts ist der Ausgangsübertrager, dessen Design and Arbeiten eine kritische Angelegenheit ist. Seine primäre Funktion ist die intern unsymmetrische Schaltung des 1176 in einen symmetrischen Line-Ausgang zu transformieren und die Ausgangsimpedanz auf 600 Ohm anzupassen. Diese zwei Aufgaben werden durch die Primär- und Sekundärwicklung realisiert, deren Wicklungsverhältnis ebenfalls das Impedanzverhältnis bestimmt.

Dieser Übertrager ist ein kritisches Element, was dem Fakt verschuldet ist, dass er einige zusätzliche Windungen besitzt die eine Art Feedback bereitstellen, was aus ihm eine integrale Komponente im Ausgangsverstärker macht. Putnam investierte viel Zeit das Design dieses außergewöhnlichen Übertragers zu perfektionieren und die wenigen fähigen Zulieferer zu sensibilisieren.

Die erste große Modifikation des 1176 wurde von Brad Plunkett entwickelt, mit der Absicht die Nebengeräusche der Schaltung zu reduzieren. Die Geburt des 1176LN, dessen LN für Low Noise steht. Zahlreiche Designveränderungen folgten, resultierend in insgesamt mindestens 13 Überarbeitungen des 1176.

2.1.2 Schaltungs- und Funktionsanalyse

Im ursprünglich von Putnam konstruierten 1176 war ein Eingangsübertrager verbaut, später wurde dieser von einer elektrischen Symmetrierung durch einen Operationsverstärker abgelöst.

Input des ursprünglichen 1176 (mit Eingangsübertrager)
Abb. 03: Input des ursprünglichen 1176 (mit Eingangsübertrager)

Das Eingangssignal landet sofort im Gain Reduction Schaltkreis, noch bevor es vorverstärkt wird. Die Pegelreduktion wird durch eine Steuereinheit geregelt, die das eigentliche Audiosignal hinter dem Vorverstärker abgreift. Dadurch reagiert der Kompressor Feedback-artig im Prinzip auf das bereits komprimierte Signal was seine unheimlich schnellen Attack-Zeiten von bis zu 30 Mikrosekunden ermöglicht. Das erklärt auch, warum der 1176 keinen Threshold-Regler besitzt, sondern der eigentliche Schwellwert zur Kompression über das Input-Potentiometer eingestellt wird.

Blockdiagramm des ursprünglichen 1176
Abb. 04: Blockdiagramm des ursprünglichen 1176

2.1.3 Besondere Merkmale der Schaltung

Charakteristischstes Merkmal der Schaltung ist sicherlich die erwähnte Kompression über eine Feedback-Schleife. Dabei wird das zu komprimierende Signal nach der Verstärkung als Steuersignal an den Gain Reduction Kontroll-Schaltkreis gesandt, nach den dortigen Einstellungen bearbeitet und darauf hin zurück hinter den Eingang geleitet, wo die eigentliche Kompression stattfindet.

Daher existiert auch kein dedizierter Threshold-Regler. Der Schwellwert ändert sich abhängig von der eingestellten Ratio wie folgt: 4:1 (-30dB), 8:1 (-26dB), 12:1 (-25dB), 20:1 (-24dB).

Gain Reduction Kontroll-Schaltkreis des 1176LN
Abb. 05: Gain Reduction Kontroll-Schaltkreis des 1176LN

Das manipulierte Eingangssignal dient nun als Steuerspannung für den das Audiosignal komprimierenden FET. Steigt der Eingangspegel, so schließt die Steuerspannung proportional das Gate des FETs, das Signal wird komprimiert.  Dies geschieht entsprechend der eingestellten Ratio.

Gain Reduction Schaltung des 1176LN
Abb. 06: Gain Reduction Schaltung des 1176LN

Ein weiteres Highlight des 1176 ist seine Class A Ausgangsstufe. Sie "findet sich auch im erfolgreichen UREI 1108 wieder und stützt sich neben dem aufwendig gefertigten Ausgangs-Transformator, auf die Anordnung zweier Transistoren (2N3053) als so genanntes Darlington Pair."

2.1.4 Klangliche Charakteristika

"Der 1176LN macht mit seinem besonderen Sound, der von seinem eigentümlichen Biss geprägt ist, Instrumente und Stimmen durchsetzungsfähig und präsent im Mix"

Die charakteristischsten Merkmale und Aussagen namhafter Toningenieure sehen den 1176LN als einen durchsetzungsfähigen, knackigen und präsenten Kompressor. Er scheint nicht geeignet um eine volle, weiche Kompression zu erreichen, wie man es zum Beispiel vom LA-2A behauptet. Eher wird er für rockige Stimmen, schneidende Bässe und als Effektkompressor für Schlagzeugräume eingesetzt. Hier einige Meinungen anerkannter Engineers:

"They have an equalizer kind of effect, adding a coloration that's bright and clear. Not only do they give you a little more impact from the compression, they also sort of clear things up; maybe a little bottom end gets squeezed out or maybe they are just sort of excitingly solid state or whatever they are. The big thing for me is the clarity, and the improvement in the top end." Jim Scott

"If you turn the attack knob fully counterclockwise until it clicks, the 1176 ceases to be a compressor and acts only as an amplifier. Sometimes this is the perfect sound for a vocal. And of course the unit can be overdriven, adding another flavor of distortion in case your plug-ins are maxed out!" Ken Kessie

2.2 Der Nachbau

Foto des angefertigten Nachbaus des 1176LN
Abb. 07: Foto des angefertigten Nachbaus

2.2.1 Historischer Hintergrund

Neben den bekannten, meist kommerziellen 1176-Klonen wie zum Beispiel dem Purple Audio MC77, Edward the Compressor oder dem Empirical Labs Distressor, die alle auf ihre Art versuchen den eigenständigen Klang oder Features wie den all-buttons-in-Modus des Originals nachzuahmen, gibt es auch nichtkommerzielle Versuche dieses Gerät selber umzusetzen.

Die wohl bekannteste Version stammt vom Dänen Jakob Erland, der auf seiner Internetpräsenz http://www.gyraf.dk mehrere verschiedene Geräte, darunter auch bekannte Entzerrer und Vorverstärker, analysiert, weiterentwickelt und seine Schaltpläne veröffentlicht. Das von Erland entwickelte Design des 1176 basiert auf der Revision F des Originals.  Die in dieser Arbeit betrachte Schaltung basiert prinzipiell auf der Erlands, wurde allerdings vom Australier Mako Natsume überarbeitet  und unter Anderem durch verschiedene Möglichkeiten alternativer Bestückung erweitert. Das für den Nachbau verwendete Printed Circuit Board (PCB) stammt ebenfalls von Natsume und wurde direkt von ihm aus Australien zum Zwecke dieser Diplomarbeit importiert.

2.2.2 Schaltungs- und Funktionsanalyse

Der Nachbau ist darauf hin konzipiert exakt wie sein Vorbild zu arbeiten, was sich in der gleichen Bedienweise und demselben Signalfluss äußert. Abweichungen sind bei den verwendeten Bauteilen zu finden. Während der verwendete FET vom Typ BF245A noch der gleiche ist, finden auf Grund der europäischen Normen andere Transistoren anstelle des 2N3053-Paares Verwendung.
Die Aufgabe des Ausgangsverstärkers übernehmen im Nachbau die Transistoren vom Typ BD135 und BD136.

2.2.3 Besondere Merkmale der Schaltung

Die bereits angesprochenen alternativen Bestückungsmöglichkeiten der Version Natsumes, machen diese Schaltungen zu einem flexiblen und kostengünstigen Einsteigerprojekt. Die wohl interessanteste Möglichkeit besteht darin, die original vorgesehen Übertrager der Firma Lundahl vom Typ LL5402 durch preiswertere der Firma Oxford Electronic Products (OEP) zu ersetzen. Dies betrifft sowohl Ein- als auch Ausgangsübertrager. Eingangsübertrager sind dabei optional anstelle des ursprünglichen Operationsverstärkers einzusetzen.

Die von Mako Natsume entwickelte Schaltung wurde des Weiteren im Hinblick auf Brummeliminierung optimiert. Dies geschieht durch eine geschickte Zentralisierung aller Massepunkte. Damit wird verhindert, dass sich Brummschleifen schon innerhalb der Schaltung entwickeln können.

Aus Kostengründen wurde für den in dieser Arbeit betrachteten Nachbau auf einen Übertrager im Eingang verzichtet. Der ursprünglich originale Lundahl-Trafo im Ausgang wurde durch die alternative OEP-Bestückung ersetzt.

2.2.4 Prognose zu klanglichen Unterschieden

Da im Nachbau die bereits erwähnten kostengünstigeren OEP-Ausgangsübertrager vom Typ A262A2E verbaut wurden, ist anzunehmen, dass sich dieses Ersparnis im abweichenden Frequenzgang äußert. Vor allem in den hohen Frequenzen  werden Einbußen auftreten, da Spulen für hochfrequente Signale sperren. Dies ist bei Bauteilen minderer Qualität verstärkt anzunehmen, da hierbei die Verarbeitungsqualität die größte Rolle spielt.

Weil auf Grund von Beschaffungsschwierigkeiten nicht die exakten Werte für die Attack und Release Potentiometer verbaut wurden und für die daran gekoppelten Kondensatoren 10 bis 20% Abweichung vom Nennwert keine Seltenheit darstellen, ist weiterhin anzunehmen, dass die Regelzeiten des Nachbaus geringfügig von denen des Originals abweichen werden.

Dank der Komplexität der inneren Verkabelung und herausragenden Qualität der verarbeiteten Bauteile des Originals schien es bei der Konstruktion des Nachbaus mit handelsüblichen Komponenten nicht immer möglich alle Störeinflüsse ausreichend zu minimieren, deshalb kann von einem geringeren Rauschspannungsabstand und größeren Störgeräuschpegel im Vergleich zum Original ausgegangen werden.

2.2.5 Fertigung des Kompressors

Den wohl größten Zeitaufwand während der Fertigung des Kompressors nahm die Bauteilbeschaffung ein. Die meisten Elemente konnten bei lokalen Distributoren in Deutschland erworben werden, da diese Arbeit sich jedoch auch einen finanziellen Rahmen gesetzt hat, musste teilweise länger nach preiswerteren Alternativen, zum Beispiel bei der Beschaffung eines geeigneten Gehäuses, recherchiert werden.

Es wurde während der Fertigung des Nachbaus sehr viel wert auf Exaktheit der Verarbeitung gelegt. Dies äußert sich zum einen in sehr zeitaufwendigen Verfahren die passenden Bauteile auszumessen. Vor allem bei der Wahl der Widerstände wurde auf 0,1% Toleranz gemessen. Dabei war es keine Seltenheit, dass von 100 in Frage kommenden Bauteilen nur fünf die Qualitätsmerkmale aufwiesen, die sie dafür qualifizierten verbaut zu werden.

Zum anderen zeigt sich der Aufwand in der für Laien schnell in Komplexität ausartenden inneren Verkabelung des Gerätes. Hierbei war darauf zu achten, die richtigen Signalwege ausreichend von Störquellen, wie dem Ringkerntrafo zu isolieren und somit Einstreuungen zu minimieren.

Eine optimale Masseführung über den Schirm der Kabel und eine auf das Notwendigste beschränkte Kabellänge spielen zusätzlich eine nicht unerhebliche Rolle im Kampf gegen Brummen, Rauschen und Zwitschern.

ENDE TEIL 1





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