Dienstag, 22. September 2009

UREI / Universal Audio 1176LN Kompressor für 200€
Der Beweis! Do-It-Yourself Test & Bericht Teil 2/3

Hier nun wie versprochen Teil 2 meiner Diplomarbeit. Feel free to Comment.




viel Spaß beim Lesen und vielleicht auch selber Nachbauen :D
Teil 2: Der Vergleich, die Auswertung, das Fazit

3. Vergleich beider Kompressoren


Zum Vergleich beider Kompressoren wurde auf einen Universal Audio 1176LN zurückgegriffen, welcher in der Branche einstimmig als würdige Neuauflage des Original UREI gesehen wird. "Der exakte Nachbau des 1176LN bietet die legendären durchsetzungsstarken Kompressionseigenschaften und den edlen Vintage-Sound, die für die Erfolgsgeschichte des Original [!] verantwortlich sind"

Laut Aussagen von Universal Audio besteht technisch gesehen kein Unterschied zum Original.
"All three available versions, [...] , are based as close as possible to the original, with no attempt to simply modernise the much sought after original design. The unit is assembled using hand-wiring technique and is tested to match the original in every achievable way."  

3.1 Im Aufbau

Es wurde bei der Produktion des Nachbaus bewusst auf optische Gleichheit verzichtet. Dies ist zum dem begrenzten Budget, teilweise aber auch technischen Raffinessen des Originals verschuldet.

In dem Nachbau wurde auf eine Ratio-Auswahl durch einrastende Taster auf Grund der Komplexität der Konstruktion verzichtet. Mit handelsüblichen Tastern wäre eine optisch identische Version möglich gewesen, jedoch bleiben diese  im Gegensatz zum Vorbild eingerastet, was zur Folge hätte, dass man jeden Taster vor Wahl einer anderen Ratio-Stufe erst wieder ausschalten müsste. Die Ratio-Auswahl wurde im Nachbau als Drehschalter in den Stufen 4, 8, 12, und 20:1 realisiert. Eine Nachrüstung zum beliebten all-buttons-in-, Nuke-, Slam- beziehungsweise Britisch-Mode ist allerdings auch hierbei mit Hilfe geschickter Verdrahtung eines Doppelstock-Drehschalters möglich.

3.1.1 Auswahl und Qualität der Bauteile

Wie bereits in 2.2.5 angedeutet wurde auf die Exaktheit der Werte der verbauten Widerstände sehr großen Wert gelegt. Es war jedoch aus Zeitgünden nicht möglich ebenfalls alle Kondensatoren und aktiven Bauelemente auf ihre Qualität zu überprüfen. Nach einem Test auf Funktion wurden Sie anhand der angegebenen Nennwerte verbaut, obschon dabei Toleranzen von bis zu 20% dabei in Kauf genommen werden mussten.

Die Verkabelung und Verlötung der Bauelemente wurde nach bestem Wissen und Gewissen jedoch entsprechend amateurhaft durchgeführt. Dabei kann eine durchaus minderwertigere Qualität im Vergleich zum Vorbild nicht verleugnet werden. Genau in diesem Punkt unterscheidet sich der Nachbau deutlich vom Original. Da alle Geräte von Universal Audio handverdrahtet werden , ist davon auszugehen, dass man dabei größte Sorgfalt walten lässt. Die Auswahl der Bauteile wird sicherlich ähnlich akribisch vorgenommen wie beim vorhandenen Klon. Ein Stellungnahme von Universal Audio war hierzu auch nach mehreren Versuchen nicht zu bekommen.

Es ist zu Vermuten, dass sich der recht hohe Verkaufspreis des Gerätes von ca. 2000 Euro nicht in vermeintlich teuren Materialien oder gar Entwicklungskosten begründet. Eher schon ist er als Zeichen zu deuten, dass ein sehr großer Zeitaufwand, auf Grund der händischen Herstellung und dabei erforderlichen Präzision bei der Auswahl der Bauteile, von Nöten ist. Dies wird durch die während der Fertigung gesammelten Erfahrungen des Autors dieser Diplomarbeit gestützt.

3.2 In der Theorie

Im Folgenden werden verschiedene Messergebnisse gezeigt. Sie beruhen alle, wenn nicht anders genannt,  auf mit Hilfe von ProTools erzeugtem weißem Rauschen, dass mit gleichem Pegel an beide Geräte gesandt wurde. Die daraus resultierenden Aufnahmen wurden mit der frei verfügbaren FFT-Analyse-Software FuzzMeasure  ausgewertet. Das nächste Diagramm zeigt das Ergebnis der Frequenzanalyse mit einer Glättung von einer drittel Oktave. Der rote Frequenzgang zeigt die Impulsantwort des Universal Audio Kompressors, der blaue die des Nachbaus.

Abb. 08: Frequenzgang rot: Original, blau: Nachbau

In diesem Diagramm wird der Abfall im Frequenzgang des Nachbaus ab 10kHz verdeutlicht, während das Original in diesem Bereich recht linear verläuft. Des Weiteren weichen die Frequenzgänge beider Kompressoren im Bereich von 20Hz bis 800Hz teilweise bis zu 3dB voneinander ab, während zwischen 1kHz und 10kHz nahezu Kongruenz besteht.

In der  Fachzeitschrift Professional Audio veröffentlichte Frequenzgänge  zeigen weiterhin, dass das Original in den Höhen über 30kHz sogar eine Anhebung von fast 3dB aufweist.

Abb. 09: gelb: mit Kompression, rot: ohne Kompression

Dieser Frequenzbereich konnte in den Untersuchungen dieser Arbeit daher nicht berücksichtigt werden, weil bei der Aufnahme der zu analysierenden Signale mit 44,1kHz abgetastet wurden. Die Analyse der Fachzeitschrift zeigt jedoch auf, dass der Unterschied beider Geräte im Frequenzgang ab 10kHz aufwärts gravierender ist, als zuerst angenommen.
Auch die leichte Anhebung unterhalb 20Hz findet sich in diesem Diagramm wieder und bestätigt die mit FuzzMeasure erstellten Daten.

Nachfolgend sind zwei Diagramme dargestellt die den Phasengang der Geräte darstellen. Auffällig ist, dass das Original ab ca. 1,5kHz beginnt die Phasen des Audiosignals zu verschieben.

Abb. 10: Phasengang des Originals

Deutlich wird, dass der Nachbau bereits bei ca. 400Hz beginnt Phasen zu verschieben. Dies geschieht jedoch bis 10kHz wesentlich frequenzselektiver als beim Original.

Abb. 11: Phasengang des Nachbaus

3.3 In der Praxis

Im Folgenden werden Dynamikbegrenzung und Regelverhalten beider Kompressoren untersucht. Da bei den Zeitparametern beider Geräte keine Rasterung vorliegt, wurden oftmals Extremeinstellungen zum Vergleich gewählt. Erst wenn die Potentiometer auf Anschlag stehen, ist ein fairer Vergleich der maximalen oder minimalen Möglichkeiten gegeben. Es wird darum gebeten zu berücksichtigen, dass manche Einstellungen musikalisch keinen Sinn machen, jedoch sehr gut aufzeigen in welchen Grenzen das Arbeiten mit beiden Geräten möglich ist.

3.3.1 Dynamikbegrenzung

Das folgende Bild zeigt einen Ausschnitt einer Bassaufnahme aus den Testdateien der Umfrage, jedoch wurde hierbei der Eingang beider Kompressoren überfahren. Das Komplette Signal geht in die Kompression. Der Eingang ist auf 70% aufgedreht. Mit einer Ratio von 20:1 wird das Signal, mit den Einstellungen Attack schnell und Release langsam, komprimiert.

 Abb. 12: oben: Original, unten: Nachbau

Deutlich zu erkennen ist wohl, dass der Nachbau mit den schnellen Pegelspitzen der Aufnahme nicht so souverän zu Recht kommt wie das Original. Die Anwendung als Summenlimiter wäre mit diesen also eine gefährliche Angelegenheit.
Das Original geht beherzter zu Sache und kann damit für einen konstanteren Pegelverlauf und weniger Dynamik sorgen.

3.3.2 Regelgeschwindigkeit

Die vom Hersteller angegebenen Regelgeschwindigkeiten liegen in den folgenden Grenzen: 20 - 800 Mikrosekunden Attack (für 100% Erholung), 50 - 1100 Millisekunden Release (für 63% Erholung)

Die Unterschiede in den kürzest möglichen Attack-Zeiten der Kompressoren sind recht eindeutig, jedoch gegen den Erwartungen des Autors. Im folgenden Bild ist das Gesang 2 Beispiel der Umfrage zu sehen. Im oberen Teil das Verhalten des Original 1176, im unteren das des Nachbaus. Die eingestellten Werte an den Kompressoren waren Attack: sehr schnell, Release: mittel, Ratio 4:1.

Abb. 13: oben: Original, unten: Nachbau

Es ist klar zu erkennen, dass der Nachbau deutlich abweichend auf den Transienten reagiert und diesen mehr verwischt als sein Vorbild.

Ähnlich sieht es da bei der Release-Zeit aus. Im folgenden Bild wurde ebenfalls auf das Beispiel Gesang 2 (männlich) der Umfrage zurückgegriffen. Oben ist wieder das Original, unten der Nachbau abgebildet. Die Einstellungen an den Kompressoren waren wie folgt. Attack: sehr kurz, Release mittel, Ratio 4:1.

Abb. 14: oben: Original, unten: Nachbau

Man sieht deutlich, dass der Nachbau länger benötigt um sich zu erholen als das Original. Die Regelzeiten des Originals sind in den Extremeinstellungen also deutlich knackiger und arbeiten zuverlässiger. Es darf jedoch in diesem Beispiel auch nicht vernachlässigt werden, das selbst bei akribischster Justage der gleichen Einstellungen an beiden Kompressoren, Ungenauigkeiten auftreten können.

3.3.3 Besondere Klangeigenschaften

Im Folgenden wird anhand eines exemplarischen Sinus von 1kHz gezeigt, dass der Nachbau bei dieser Frequenz deutlich mehr harmonische Obertöne und damit Verzerrungen verursacht als das Original. Es ist zu vermuten, dass dieser Unterschied über den kompletten Frequenzgang besteht, kann aber auf Grund fehlender Messdaten nicht belegt werden.

Abb. 15: rot: Original, grün: Nachbau

Des Weiteren ist damit gezeigt, dass der eigentliche Klirrfaktors des Nachbaus wesentlich höher liegen muss, da der Frequenzgang vom Übertrager zusätzlich als Tiefpass gefiltert wird.

Ein weiteres Diagramm der Fachzeitschrift Professional Audio zeigt, dass der aggressive und präsente Klang des Universal Audio 1176LN auch durch seine teilweise starken Verzerrungen und somit hohen Gesamtklirrfaktor von bis zu 6% begründet ist.

Abb. 16: grün: mit Kompression, blau: ohne Kompression

3.3.4 Blindvergleich mit Hörprobanden

Im Zeitraum vom 11.03.2009 bis zum 02.04.2009 wurde auf der kostenlosen Umfrageplattform http://voycer.de ein Blindvergleich in deutscher und englischer Sprache online gestellt, der überprüfen soll, ob abgesehen von technischen und messbaren Unterschieden zwischen den getesteten Geräten auch hörbare Differenzen festzustellen sind.

Die Probanden mussten sich durch so genannte Screening-Fragen für diese Umfrage qualifizieren. Dieser Begriff kommt aus der Marktforschung und soll sicherstellen, dass nur Personen an Befragungen teilnehmen, die in die zu analysierende Zielgruppe fallen. In diesem Fall waren das die Fragen S3 und K1. Erstere klärt die Profession. Es wurden nur Antworten von Personen ausgewertet, die angaben Tontechnik als Hobby oder Beruf auszuüben. Frage K1 stellt sicher, dass die Befragten sich sicher im Umgang mit und in der Funktionsweise von Kompressoren fühlen. Kreuzte ein Befragter bei einer dieser Fragen die ausschließenden Antworten "weder, noch" bzw. "Eher nicht" an, so wurden alle weiteren Antworten aus der Wertung genommen.

Insgesamt haben im oben genannten Zeitraum 113 Personen an der Umfrage teilgenommen. Davon konnten sich 102 Personen qualifizieren. Alle Ergebnisse wurden in Prozent ausgewertet.

Für den Hörvergleich wurden verschiedene Monosignale mit dem Original und mit dem Klon bearbeitet. Dies geschah durch Insertierung beider Kompressoren an ein ProToolsHD96 Interface. Beide Geräte erhielten die gleichen Signale und wurden identisch eingestellt. Der Ausgang wurde jeweils mit 24bit und 44,1kHz in der Software ProTools  aufgezeichnet.
Dabei wurde penibel auf exakte Einmessung beider Geräte geachtet um Lautstärkeunterschiede auszuschließen.
Die Aufgabe der qualifizierten Probanden war es, ohne zu wissen welche Dateien mit dem Original und welche mit dem Nachbau bearbeitet wurden, Unterschiede herauszuhören und sich für das jeweilige Beispiel zu entscheiden, von dem sie glaubten, dass es mit dem Original bearbeitet wurde. Dabei sollten sie ihren subjektiven Höreindruck als Grundlage für ihre Entscheidung nehmen. Konnten sie keine Unterschiede heraushören, oder sich nicht entscheiden, so konnten sie auch das vermerken.

Der komplette Fragebogen und alle ausgewerteten Statistiken und Diagramme befinden sich im Anhang B und C dieser Arbeit. Da die komplette Analyse aller Ergebnisse dieser Umfrage den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, wird die tiefgründige Interpretation der erfassten Daten dem Leser selbst überlassen. Es wird jedoch im Folgenden auf die aussagekräftigsten Resultate eingegangen und versucht die gehörten Unterschiede darzustellen.

Kontroverserweise ist das wahrscheinlich deutlichste Befund des Hörvergleichs die Unentschlossenheit der Testpersonen. Nur in seltenen Ausnahmesituationen konnten sich die Tester mit einer absoluten Mehrheit auf das Original einigen. Durchweg boten sich Original und Nachbau ein Kopf an Kopf rennen um die Gunst der Hörer. In den seltensten Fällen, so zum Beispiel beim Hörvergleich "Kickdrum 2"  ergab sich eine Mehrheit von 54% für das Original. Oftmals zeichnet sich ab, dass fast ein Fünftel aller Befragten sich nicht auf eine Datei festlegen konnte, sondern sich für die Antwort "ich höre keinen Unterschied" entschied.

Mit 45% glauben die meisten Personen die maßgeblichsten Unterschiede bei Sprache und Gesang gehört zu haben. Dies sind die mit Abstand empfindlichsten Signale in der Audiobearbeitung, daher ist diese Entscheidung nicht verwunderlich. Umso überraschender ist jedoch, dass auch bei diesen Beispielen keine eindeutige Zuordnung durch die Testpersonen erfolgen konnte.

Mit 40% entschieden sich die meisten Hörer für den unterschiedlichen Frequenzgang als tonangebenden Unterschied. Auffällig ist jedoch, dass je extremer die Einstellungen an den Kompressoren im Hinblick auf das Kompressionsverhältnis und die Regelzeiten gewählt wurden, desto eher tippten die Probanden richtig. Die gehörten Unterschiede mögen daher eher an den längeren Regelwegen und der stärker abweichenden Dynamikbegrenzung liegen, als an gegebenenfalls divergierenden Frequenzgängen. 36% der Befragten sahen das auch so.

Die spannendsten Antworten und Hinweise zur Wahrnehmung der Unterschiede ergaben sich teilweise in der offenen Frage M8. Offen deshalb, weil es ein Textfeld war, wo die Tester 2500 Zeichen zur Verfügung hatten um ihre Eindrücke kurz in Worte zu fassen. Diese Frage ist schwer vergleichbar auszuwerten, weshalb nachfolgend ausgewählte Zitate der Probanden zu lesen sind. Diese stehen für sich alleine und sind separiert der ganzheitlichen Statistik zu sehen.

"One compressor had marked increase in high frequencies and less low mid range. It suited different things better.  Lets call the one with less HF and more low mid the original and the one with more HF and less low mid the copy." 

"Der Original-Urei hat einen dezenten Höhenabfall, ohne dabei dumpf zu klingen. Das finde ich vor allem bei Stimmen als Vorteil, da S-Laute nicht so scharf klingen und Schmatzer in den Hintergrund rücken." 

Interessant hierbei erscheint, dass beide Probanden den Nachbau auf Grund fehlender Höhen fälschlicherweise als Original identifizieren. Der Grossteil der Tester beurteilte in M8 die Unterschiede als subtil.

Zusätzlich bewerteten die meisten Probanden das Heraushören der Unterschiede entsprechend Frage M1 als schwer.

4. Auswertung des Vergleichs

Nachfolgend werden die Resultate aller Betrachtungen zusammenfassend und gegenüberstellend erläutert. Es gilt die wesentlichsten Merkmale beider Geräte  herauszuarbeiten und von den unwesentlichen Erkenntnissen abzugrenzen. Es wird zusätzlich versucht mögliche Ursachen für die aufgetretenen Divergenzen zu benennen, auch wenn im Einzelnen dafür nicht immer Nachweise dargestellt werden können.

4.1 Auswertungen der Messergebnisse

Die Messungen haben gezeigt, dass Original und Nachbau bezüglich Frequenzgang, Phasengang und Verzerrungen teilweise stark, teilweise weniger stark voneinander abweichen.

Das Original bietet einen vorbildlichen Frequenzgang mit einer leichten Anhebung jenseits der oberen menschlichen Hörfrequenz. Der Nachbau hingegen fällt durch eine Impulsantwort - einem Tiefpass 1. Ordnung ähnelnd - auf, da ab 10-12kHz mit ca. 6dB/Oktave gefiltert wird. Beide Fakten zeigen, dass die jeweiligen Geräte für unterschiedliche Einsatzzwecke mal mehr oder weniger geeignet sind.

Die gemessene Tiefpassfilterung des Nachbaus bestätigt die in 2.2.4 getätigte Prognose, dass hierbei das beim Ausgangsübertrager gemachte Ersparnis von etwa 40 Euro zum Vorschein kommt. Wird an dieser Stelle der ursprünglich vorgesehene Übertrager der Firma Lundahl verbaut, ist davon auszugehen, dass sich die Tiefpassfilterung des Nachbaus zu Gunsten des Originalfrequenzgangs aufhebt.

Ähnlich sieht es mit den festgestellten Verzerrungen aus. Da das Original dafür bekannt ist, einen durchsetzungsstarken, präsenten Klang zu haben, kann man dem Nachbau nicht unbedingt unterstellen, dass er auf Grund eines höheren Klirrfaktors schlechter klingen würde.

Die Messergebnisse der Verzerrungen beim 1kHz Sinus, lassen auf Grund ihres Erscheinungsbildes vermuten, dass diese auf klirrende Transistoren zurückzuführen sind. Eine Verzerrung durch einen übersteuerten Übertrager lässt sich eher auf die einer Bandsättigung zurückführen. Ähnlich der beim Original auftretenden Verzerrung. Entweder der Arbeitsbereich, der so genannte Bias des FET ist nicht korrekt eingestellt, die Qualität des Original BF245A ist wesentlich besser als die beim Original oder einer der anderen verbauten Transistoren, zum Beispiel das Darlington-Paar des Ausgangsverstärkers führen zu diesen Verzerrungen. Dafür sind jedoch keine Belege vorhanden.

Die früher einsetzenden Phasenverschiebungen sind bekanntermaßen auf Kondensatoren und Spulen zurückzuführen und liegen deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit in größeren Toleranzen der Bauteile sowie dem alternativ verwendeten Übertrager begründet.

4.2 Klangunterschiede

Mit Abstand am auffälligsten von den Testern wahrgenommen und am deutlichsten in den Messungen hervorgetreten ist der Höhenverlust des Nachbaus im Vergleich zum Original.

Das Regelverhalten des Nachbaus weicht in Geschwindigkeit und Ausmaß teilweise von Vorbild ab, was nicht unbedingt als Klangunterschied gewertet werden kann.

Wohl aber die Verzerrungen. Sie verleihen beiden Kompressoren den charakteristischen Biss, die gewünschten Präsenzen und ihre Durchsetzungsfähigkeit.

4.3 Vor- und Nachteile des jeweiligen Kompressors

Die Vorteile des Originals liegen auf der Hand. Es sind der Name, der gute Ruf, die zuverlässige Qualität bei der Produktion des Gerätes durch Universal Audio. Aber neben diesen allgemeinen Eigenschaften des Gerätes zeichnet es sich vor allem durch seinen brillanten Frequenzgang, sein unvergleichbar schnelles Regelverhalten und den unverwechselbaren Umgang mit Transienten aus. All diese Faktoren machen den 1176 zur ersten Wahl wenn dichte, knackige Klänge gefragt sind, wenn strahlende, starke Stimmen erwartet werden und wenn es gern mal ein bisschen Überkompression sein darf und der Sound strahlen soll.

Die Liste der Nachteile ist nichtsdestotrotz mindestens genauso lang, wie die der Vorteile. Da wäre zum einen der für die gebotene Leistung doch recht hohe Anschaffungspreis, den für einen Monokompressor übertriebenen Platzbedarf von zwei Höheneinheiten und eben der charakteristische Klang. Dieses Gerät ist auf Grund seiner Eigenschaften als Sound-Färber nicht immer als erste Wahl zu sehen sondern gezielt und bewusst einzusetzen. Geht es um natürliche Reproduktion von Klängen sollte dieser Kompressor besser aus der Signalkette entfernt werden. Für geschmeidige Pop-Vocals mit unaufdringlichen Transienten und soften Höhen scheint dieses Gerät eher ungeeignet.

Gerade hier spielt der Nachbau seine Stärken aus. Der zuerst als Nachteil empfundene und leicht gedämpfte Frequenzgang macht laut Aussagen der Hörer störende s-Laute unaufdringlicher, verleiht Stimmen und Instrumente weichere Höhen, macht sie geschmeidiger ohne dabei auf den so typischen Präsenzbereich und die klangformenden Verzerrungen zu starken Einfluss zu nehmen. Es ist anzunehmen, dass mit dem Nachbau bearbeitete Signale in einer Mischung präsent bleiben, ohne dabei zu schreien. Es scheint die Signale sind somit leichter zu handhaben und besser zu kontrollieren.

Der Nachbau bietet auf Grund der individuellen Konfigurationsmöglichkeiten mehr Spielraum was Dimensionierung, Ausstattung und Design betrifft. So ist es zum Beispiel möglich, mit etwas eigener Kreativität eine schaltbare Stereo-Variante des 1176 zu bauen, nach Bedarf auch auf einer Höheneinheit. Das dadurch erreichte Platzersparnis ist bei begrenztem Platzangebot in Regieräumen nicht zu unterschätzen.

Der Preis des Nachbaus von etwa 200€ ist wohl sein schlagendstes Argument, obschon die investierten Arbeitsstunden nicht einberechnet wurden.
Aber auch der Nachbau hat seine Nachteile. Die Unvorhersehbarkeit im Klang des Nachbaus macht jeden einzelnen zu einem Unikat. Reproduzierbare Ergebnisse sind nur schwer zu realisieren. Er packt nicht, oder nur unter extremen Einstellungen so zuverlässig und gnadenlos zu wie das Original. Je extremer diese Einstellungen sind, umso weiter entfernt man sich vom Vorbild, auch wenn alleine betrachtet der Klon-Kompressor immer noch ein ordentlich klingendes Studiogerät darstellt.

5. Schlussbetrachtung

Anhand dieser Arbeit wurde bewiesen, dass es auch für elektrotechnische Laien möglich ist, mit verhältnismäßig wenig finanziellem Aufwand einen dem Namen 1176 würdigen Kompressor zu bauen. Dies soll exemplarisch für alle analogen Studiogeräte stehen. Diese Arbeit soll Mut machen, die Technik zu hinterfragen und aufzeigen, dass es möglich ist auch ohne Millionen an Investitionen Studioequipment herzustellen, das den geliebten und verehrten Kultobjekten in Nichts nachstehen muss.

Es ist nicht das Original, davon war auszugehen. Es war schließlich von vornherein geplant einen laienhaften Nachbau anzufertigen.
Nimmt man in Kauf, dass Frequenzgang, Regelverhalten und Verzerrungen marginal, laut Aussagen vieler Probanden subtil, vom Vorbild abweichen, so erhält man für einen Zehntel des Preises nach meiner Ansicht 90% UREI.

Es war schwer Unterschiede auszumachen. Und das im direkten Vergleich. Stellt man sich den Nachbau einmal im alltäglichen Studiobetrieb vor, so wird schnell klar, dass alle Messungen und Hörtests und Gegenüberstellungen irrelevant werden. Sucht man den richtigen Sound, so kommt es auf 2dB mehr oder weniger im Frequenzgang oder 1% mehr oder weniger an Verzerrungen auch nicht mehr an. Ein Gerät muss in der geforderten Situation mit dem Kontext funktionieren und die gewünschten Ergebnisse erzielen. Tut es das nicht, nimmt man ein anderes. Egal ob UREI, Universal Audio oder Do-it-yourself darauf steht.
Im Studio gilt bedarfsorientiert zu Handeln, "service on-demand" sozusagen. Will ich mehr Verzerrungen? Will ich weniger Höhen? Will ich das Signal "gegen die Wand fahren" oder nur leicht ankomprimieren? Je nach Zielsetzung wird man sich immer anders entscheiden. Dementsprechend macht die Vielfalt der Alternativen Möglichkeiten die wirkliche Qualität eines Studios aus. Genau wie bei Mikrofonen.

Ist man darauf aus möglichst namhafte und teure Geräte in seinem Studio stehen zu haben, um zu zeigen: Ich hab kann mir das Original leisten! So wird man mit diesem Nachbau sicherlich nicht glücklich. Will man aber für kleines Geld in den Genuss des Kultes und viel Sound so kommt man nicht darum herum, sich mit der Frage zu beschäftigen, was wirklich in den Geräten steckt.

Diese Arbeit hat sich aus meiner Sicht in jeder Hinsicht gelohnt, sowohl finanziell als auch zum Sammeln von Erfahrungen, zum Verständnis für technische und musikalische Zusammenhänge und als Bereicherung der persönlichen Geräte-Sammlung.

Doch hinter alledem sollte man sich auch immer die Frage stellen, ist es die Technik oder die Kreativität in der Art sie zu benutzen, die unsere Möglichkeiten beschränkt? Diese Frage zu klären war nicht Zielsetzung dieser Diplomarbeit, denn jeder wird sie für sich selbst beantworten müssen.

ENDE TEIL 2

2 Kommentare:

  1. hey mann, interessante arbeit. leider ist der link zu deiner diplomarbeit kaputt. kannste die nochmal online stellen? gruß, alexander

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  2. Hallo Alexander,
    das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Danke für den Hinweis. Ich werde sie in den nächsten Tagen aktualisieren. Bis dahin gibt es die Daten hier auf Dropbox https://www.dropbox.com/s/g53xq6ytf3f5fu0/urei1176_diplom_inklAudio.zip

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